Montag, 22. November 2010

Liebeserklärung an...

...die deutsche Sprache. Ja, ich liebe die deutsche Sprache. Denn man kann fast alles mit ihr machen; man kann sie lesen, deuten, singen, sprechen, stottern, schnorcheln, rückwärts sprechen, aufsagen, auswendig lernen, denken, hauchen, ins Ohr brüllen, stöhnen, kreischen, verschweigen, zustimmen, widersprechen, streiten. Man kann wild mit ihr wiederholen, kreuzreimen, paarreimen oder sogar umarmend reimen, sie verbildlichen, steigern, mit ihr maßlos übertrieben oder auch untertreiben, sie überkreuzstellen, andeuten, beschönigen, lautmalern, umstellen, reizüberfluten und mit ihr verwirren. Man kann mit ihr gewinnen und triumphieren. Und trotzdem wird sie gnadenlos misshandelt. Sie wird geschlagen, droht langsam einzugehen und windet sich unter der Dummheit so vieler Menschen, die sie leider benutzen.

Einer meiner Dozenten sagte letzte Woche zu uns, dass wir einen gesicherten Job hätten als angehende Germanisten, denn spätestens in 20 Jahren sei die deutsche Sprache eine Wissenschaft, die nur Gelehrte anzuwenden wissen werden. So wird kaum ein anderer in der Lage sein, sich angemessen auszudrücken oder überhaupt rechtschreiblich unbedenklich zu kommunizieren. Und dann kommen wir. Ich habe meinem Dozenten sofort geglaubt, denn die deutsche Sprache verkommt. Nicht durch Werbeslogans wie "Da werden Sie geholfen" oder durch Anglizismen wie Handy oder googlen. Nein, ein Blick auf die Neuigkeiten in meinem Facebook reicht vollkommen aus. Das Internet ist da sowieso Schauplatz des Elends. Da schreibt eine/r mit aller Selbstverständlichkeit "daführ", "kanst", "überseuerter margen" oder einfach "weis". In Momenten wie solchen, in denen ich so etwas lese, weiß ich nicht so recht, ob ich schockiert dreinblicken oder einfach gleich die Stirn auf die Tastatur hämmern soll, denn ich kann so etwas nicht verstehen. Die einzige Entschuldigung für eine derart schlechte Rechtschreibung ist für mich eine nachgewiesene Lese-Rechtschreib-Schwäche oder ähnliches.

Natürlich muss man in Sachen korrekter Rechtschreibung und Ausdrucksweise gerade in Bezug auf das Internet/Kommunikationsplattformen und dem wahren Leben unterscheiden. Viele rechtfertigen falsche oder sogar ganz und gar fehlende Kommasetzung sowie ihre schlichtweg beschämende Rechtschreibung damit, dass es ja "hier kein Deutschunterricht ist", dass "es hier doch egal ist, wie man schreibt". Vielleicht ist es das. Vielleicht aber auch nicht. Wie ich mit Erschrecken vor einigen Tagen in der Uni feststellen musste, sind selbst Menschen, die es bis dorthin gebracht haben und peinlicherweise sogar Deutsch studieren, nicht in der Lage, richtig zu schreiben. Vielleicht war diese Person aber auch häufig im Internet tätig und hat es daraus übernommen, wer weiß. Mir schießen Rechtschreib- und Grammatikfehler sofort ins Auge, ob online, in der Uni, unterwegs oder in der Werbung - sie sind überall. Leider. Wir Germanisten führen einen harten Kampf.

"Es ist unglaublich, wieviel Geist in der Welt aufgeboten wird, um Dummheit zu beweisen.
"
(Christian Friedrich Hebbel)

Zu erwähnen ist hier natürlich auch die Jugendsprache von heute und ich meine nicht Ausdrucksformen wie cool, Hackenporsche oder Tussitoaster. Ich meine diejenige Ausdrucksweise der - ich wage es mal, es so zu bezeichnen - geistig verarmten Jugend ohne Perspektive(n). Ganz abgesehen vom teils unbegründet asozialen Verhalten und wüsten Beleidigungen, die ich hier gar nicht aufführen möchte, weil sie sich eh jeder denken kann, gibt es da diese Formulierungen wie "Isch schwör, alta", die dem Deutsche-Sprache-Junkie einen kalten Schauer bereiten. Doch dies ist eine andere, sehr komplexe Thematik, weshalb dieser Gedankenanstoß an dieser Stelle alleingelassen werden soll.

Nur warum? Warum lassen viele diese Sprache durch hässliche Formen und Formulierungen derart verkommen und vergewaltigen? Ist sie euch nicht schön genug? Dann sucht euch einen anderen Doofen! Die Sprache ist ein Geschenk und eine wertvolle Gabe, die einen überall hinbringen kann. Sind wir ihr nicht angesichts dessen ein wenig Anerkennung schuldig?

Ein Wort wird mit ß geschrieben, wenn es einem langen Vokal folgt, wie in Straße, groß oder Muße. Dem Doppel-s geht ein kurzer Vokal voraus, wie bei Fass, muss oder Riss. Das Das hinter dem Komma wird dann mit Doppel-s geschrieben, wenn etwas eine Folge aus etwas ist (Der Mann wusste, dass sie lebt) und nur dann mit einem S, wenn sich das Das auf ein Nomen im Hauptsatz bezieht (Sie streichelte das Rentier, das auf einmal im Zimmer stand). Wider wird immer dann nur mit i geschrieben, wenn es etwas Gegensätzliches/Widersprüchliches ausdrückt, wie zum Beispiel bei Widerstand, Widerwille, zuwider. Kommata sind ebenso kein sehr schwieriges Feld. Als Faustregel gilt: Ein Komma soll sinnvolle Pausen in den Gedankengang bzw. für das Sprechen bringen. Es ist manchmal besser, lieber ein Komma mehr zu setzen, als eins zu wenig. Genaue Kommaregeln können bei Google mit höchster Wahrscheinlichkeit nachgeschlagen werden. Das wäre an dieser Stelle doch ein wenig zu übertrieben und würde mich in ein etwas zu hochnäsiges, besserwisserisches Licht rücken und das wollen wir ja nicht. In diesem Sinne fasse ich ein äußerst kurzes und zudem geklautes Resümee:

Gebt euch nicht auf - lernt lesen und (vor allem) schreiben!

(Und: Schämt euch, aber nicht zu sehr. Ich helfe gern weiter.)

12 Kommentare:

  1. Ein sehr gelungener Text!Er vermittelt genau das,was viele von uns denken.Unsere Gesellschaft verkommt immer mehr und ein Indikator dafür sind die Menschen,die diese wundervolle Sprache so verstümmeln!

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  2. achja. sehr gut geschrieben, wie immer mein lieber. ;)
    und wie recht du doch einfach wieder hast.
    ich will jetzt nicht sagen, dass meine rechtschreibung ach zu perfekt ist, aber wenigstens beherrsche ich dann doch noch die normale deutsche sprache anstatt diese ganzen slangs usw.
    es ist traurig, aber wahr. sie verkommt und jeder zweite, misshandelt sie.
    nur.... wer soll was daran ändern? man kann ja gerade diesen verkümmerten menschen im chat 1000 mal sagen sei(t) ist eine zeitform, sie checken es nie.^^
    vielleicht bringt ja ihr zukünftigen germanisten licht ins dunkle. :P

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  3. Hallo Noah,

    leider habe ich keine andere Möglichkeit als diesen Kommentar gefunden, um Ihnen zu schreiben.

    Ich würde Sie gerne auf unsere Homepage Paperblog (http://de.paperblog.com) aufmerksam machen. Wir möchten mit unserem Projekt ein alternatives Online-Medium aufbauen, indem wir die besten Artikel von Blogs zusammenstellen und veröffentlichen.
    Ich kann mir gut vorstellen, dass Ihre Beiträge eine Bereicherung für unsere Leser wären und würde mich freuen, wenn Sie sich als einer unserer Autoren einschreiben.

    Bei Fragen oder Anmerkungen schreiben Sie mir gerne eine Email!

    Herzliche Grüße,

    Johanna

    johanna@paperblog.com

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  4. Da sagste was.
    Sehr gerne hab ich auch die Menschen, die sich zwar bemühen, korrekt zu schreiben, aber dann Redewendungen und feststehende Ausdrücke auseinanderreißen, falsch zusammensetzen und anderweitig verstümmeln.
    Seh ich in letzter Zeit viel zu oft.

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  5. Herrlich dein Eintrag...hab ich vermisst.

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  6. Du hast Facebook? Kann man dich da adden?

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  7. Noah,du sprichst mir verdammt nochmal aus der Seele! Himmlischer Text.
    Danke!
    Meinen Respekt.

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  8. Ich danke euch allen! Vielen lieben Dank für den Zuspruch!

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  9. Und da sind sie schon, die bemitleidenswerten Kreaturen, die deiner Meinungsäußerung bloß zustimmen, weil sie sich dadurch ein wenig deiner Aufmerksamkeit erhoffen. Und die meisten von denen, die dir in sozialen Netzwerken etwas von der deutschen Sprache vorschwärmen, können sie selbst doch nicht verwenden. Armselig. Und du könntest dich auch mal wieder melden! (Ich weiß wohl, dass ich anonym bin; und wohl kaum wirst du dir denken können, wer ich bin, nehme ich an.)

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  10. Dann verrate mir doch bitte, wer du bist. Dann nehme ich gern Kontakt auf.

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  11. Ich weiß, es ist nicht mehr aktuell und kommt mit einem Jahr Verspätung. Aber ich kann es dennoch nicht lassen :)

    'johanna@paperblog.com' bringt es auf den Punkt!

    'Anonym' vom 28.12.2010 um 11:41 ist dagegen nur zu bedauern. Was ist armseliger, als anonym und mit Anspielungen auf sich aufmerksam zu machen. Soviel zum Thma 'bemitleidenswerte Kreaturen'.

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