Donnerstag, 25. März 2010

Daumen drücken

Eigentlich will ich gerade eine meiner Lieblingsserien im Fernsehen schauen, habe mich schon die ganze Woche drauf gefreut, doch nun brennt mir ein Thema ganz spontan derartig unter den Nägeln, dass ich es umgehend niederschreiben muss. Ohne viele rhetorische Schnörkeleien, ist quasi Eilpost.

Was gibt es doch für linke Bazillen, für falsche Menschen, für Menschen, die ich nun mit den schlimmsten der schlimmen Beleidigungen und Herabwürdigungen betiteln würde, wenn mein Niveau niedriger wäre! Ich bin schockiert, manchmal erschlägt einen die nackte Wahrheit aber auch arg plötzlich und ungeschmückt. Manchmal frage ich mich, ob es sich nicht angenehmer in einer Seifenblase aus Lügen und Sich-Nichts-Eingestehen-Wollen lebt, fernab von oft schmerzlichen Einsichten. Dann könnte ich jetzt wenigstens gemütlich vorm Tv liegen und meine Serie schauen, aber nein - meine Seifenblase ist ja schon vor einigen Monaten geplatzt.

Es gibt Menschen bei denen ich mich ernsthaft frage, weshalb Gott (sofern es ihn gibt) diesen ein Recht auf Existenz gibt. Und ich meine nun nicht irgendwelche Hautfarben, Rassen oder sonst etwas, das auf einen fremdenfeindlichen Kontext hindeuten soll. Wäre ich der Herr im Himmel, würde ich derart falsche Menschen gegen eine Wand schnipsen und sie dann mit dem Daumen zerdrücken. Menschen, die einen vollheulen, zutexten, treten, wegwerfen, anspucken, einen das unendlichste Leid vorgaukeln und man herausfinden muss: Man, der oder die ist ja in Wahrheit verdammt glücklich. Da wurde man doch tatsächlich schamlos verarscht, um es ganz plump zu sagen. Den Arsch hat man sich oft aufgerissen für diese Person, konnte vor Sorge nicht schlafen, konnte sie nicht vergessen. Von ihr kommt nichts als pseudodepressives Gesülze der theatralischsten Art, was man natürlich glaubt. Jedes verdammte falsche Wort glaubt man. Und hintenrum lacht dieser Mensch. Mir scheint doch, an diesem Sachverhalt ist irgendetwas paradox.

Ich bin wohl einfach immernoch zu naiv. Immernoch zu gutgläubig. Immernoch zu nahbar für Kreaturen wie diese. Eine Kreatur, ja, das trifft es genau. Kreatur, Defekt, Bastard. Man nenne es, wie man will und verzeihe mir diese doch stark herabwürdigenden Bezeichnungen.

Ich werde, bevor ich gleich schlafen gehe, zu Gott beten, dass er den Daumen zückt und drückt.

Montag, 22. März 2010

Liebe deinen Nächsten...bloß nicht!

Ein weiser Herr namens Erhard Blanck sagte einmal

Nachbar - etymologisch stammt es vom nahen Bauern.
Da wird mir so manches klar.

Mir ebenso. Lieber Herr Blank, Sie haben direkt ins Schwarze getroffen, meinen besten Dank!

Wir alle wissen: Die Welt ist voller Verrückten und Narren. Und wir alle wissen, dass man ihnen überall auf den Straßen begegnet. Denen begegnet man jedoch wohl nur ein-, zweimal im Leben. Dramatisch wird es, wenn die Nachbarschaft voll davon ist. Man kann es sich ja meist nicht aussuchen bzw. ahnt im Vorraus nicht, mit wem man Wand an Wand leben wird. Hätte man mich mit heutigem Wissensstand damals vor 20 Jahren gefragt, ob ich hier wohnen wolle, wäre ich wohl schreiend davongelaufen.

Nachbarn sind eine Thematik für sich. Man hat zwar direkt nichts mit ihnen zu tun, wenn man nicht will, doch sind sie zwangsweise ein Teil des Lebens. In meinem Wohnhaus leben sechs Parteien, einschließlich mir, und ich muss mir doch desöfteren ins Gewissen rufen, dass es keine Irrenanstalt ist. Wirklich und ganz ohne Übertreibung! Es gibt ja viele verschiedene Spezien von Verrückten. Davon haben sich fünf um mich herum angesiedelt, wenigstens bietet das etwas geistige Abwechslung. Ehrlichgesagt weiß ich gar nicht, bei wem ich anfangen soll, weiß ich doch bei allen nicht so recht, ob ich lachen oder besser weinen soll.

Im zweiten Stock - ganz oben -, wohnt das Ehepaar F. Ehepaar F. besteht aus einem Mann und einer Frau, Rentner. Man erinnere sich, wie lange ich bereits in diesem Haus lebe...Ich habe diese Personen höchstens zweimal gesehen, daher kann ich nur wenig über sie sagen. Der Sage nach fahren sie jedes Jahr über den Winter nach Malle. Keine Ahnung, ob dies der richtige Ort für ein Renterpäarchen ist, doch vielleicht lassen die beiden dort die Sau raus und schwingen ihr altes Tanzbein zu Michael Wendler, während Herr F. von zehn nackten Frisösen träumt. Kann natürlich den gewissen Schwung in die Ehe fernab der goldenen Hochzeit bringen.

Daneben im obersten Stockwerk und direkt über mir wohnt das Ehepaar O. Ehepaar O. ist das Paradebeispiel einer Gewohnheits-Ehe. Das Kind, eine Tochter mit schreckenserregendem Lachen, ist aus dem Hause. Dramatischerweise nahm sie den letzten Pepp mit sich. Zurück blieb ein Paar, das sich überhaupt nichts mehr zu sagen hat, das getrennte Schlafzimmer nutzt und das Hausarbeit grundsätzlich ohne Rücksicht auf Verluste ausübt. Samstag ist es wieder soweit: die Wäsche wird gewaschen, das Abwasser gluckert lautstark durch die maroden Rohre und der Staubsauger wird schwungvoll gegen Heizungen gehauen und es wird genüsslich über den Laminatboden gekratzt. Nächtliches Fensterauf- und anschließend wieder -zuknallen inklusive. Was für ein Service! Doch damit nicht genug, das ist ja noch äußerst harmlos. Lange dachten wir, wir selber sind die Verrückten, aber es ist wahr: Wie sie es auch immer anstellen, Ehepaar O. verspürt stets zum selben Zeitpunkt wie wir unendlichen Harndrang oder mehr. Oft scheint es mir, als gäbe es in unserem Badezimmer eine unsichtbare Schwelle. Wenn wir sie übertreten, dann wird bei Familie O. die Spülung betätigt. Klingt komisch, ist aber so! Nein, ich bin nicht verrückt! Habe ich doch sogar schon mit dem Gedanken gespielt, das Ereignis per Video festzuhalten, quasi als Beweis, doch das erschien mir dann zu verrückt.


Meine direkten Nachbarn sind vor etwa einer Woche eingezogen. Die Nationalität ist mir noch immer unschlüssig, doch gibt der Mann der Familie M. einen wunderbaren lauthalsen, bevormundenden Tyrann ab. Mit Rücksicht als Fremdwort - wohl nicht das einzige - werden auch zu früher Morgenstunde im Nachbarsraum die Kinder, die Frau oder die Welt angeschrien. Wenn der Tyrann endlich mal die Klappe hält, trampeln und schreien die Gören. Die Frau geht wohl unter, sie habe ich bisher noch nie gehört. Schlafen ohne Ohropax ist für mich nicht mehr möglich, eine wunderbare Sache, wenn man den Wecker nicht mehr hören kann. Und wenn sie nicht im Zimmer nebenan ihre lauten Organe benutzen, dann muss sich von geöffneter (übrigens stark quietschender) Wohnungstür in den Keller unterhalten werden - ist doch ganz logisch und vollkommen einleuchtend.

Ergänzt wird Familie M. übrigens ganz wunderbar von Familie M. (II) aus dem Erdgeschoss direkt unter mir. Liegt vielleicht am gleichen Anfangsbuchstaben, wer weiß. Das entwickelt vielleicht ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl. Familie M. (II) hat vor anderthalb Jahren Nachwuchs bekommen: einen Jungen namens L. O Freude, L. lebt nun direkt unter meinem Zimmer, ist das schön! Schlimm genug, dass man vergeblich feststellen muss, dass dieses Exemplar die Baby-Schrei-Phase nach anderthalb Jahren noch immer nicht überwunden hat, nein, man kann auch noch nichts dagegen tun. Man sagte mir, normale Kinder schlafen in seinem Alter nachts durch. Natürlich ist L. nicht normal. L. nutzt die Gunst der Stunde und schreit sich hemmungslos zu später Stund' die Seele aus dem Leib, dass man manches Mal schon dachte, er würde abgeschlachtet auf grausamste Weise. Sprechen kann der Gute übrigens bis heute noch kein Wort. Normal ist das nicht, aber wäre er normal, würde er wohl nicht hier wohnen. Vielleicht würde ich auch andauernd schreien, wenn mein Vater mehr mit lautem Organ am Handy hängt, als dass er sich meiner Sprachentwicklung widmet.

Last but bestimmt nicht least: Das Ehepaar aus dem Erdgeschoss links. Der Ehemann, eine ganz arme Sau und völlig nicht erwähnenswert. Seine Frau, H., ein Bild von einer Frau. Ich verrate nicht viel, doch optisch ein Abbild Luise Koschinskys. Zugegeben, ich
weiß die Pracht ihres Charakters kaum würdig zusammenzufassen. Früher war sie wohl mal normal. Man kann nur spekulieren, was diese Frau derart veränderte. Heute ist sie nicht nur optisch alptraum- und höchst furchterregend. Nicht nur, dass sie mindestens 5x am Tag bei jedem Wetter und jeder Jahreszeit die Jacke anzieht, um Müll runter zu bringen, nicht nur, dass sie starke Stimmungsschwankungen hat und einen der stereotype Oma-Geruch allein beim Öffnen der Wohnungstür erschlägt, o nein - H. hat vor einigen Tagen eine neue Leidenschaft entdeckt: Sie reißt ohne Vorwarnung ihre Wohnungstür auf, sobald sie jmd im Treppenhaus vernimmt, fängt ihn ab und erzählt. Manchmal lässt sie bereits auf dem Balkon den sehnsüchtigen Blick nach einem "zufälligen" Gesprächspartner schweifen. Natürlich bekam sie so auch sehr schnell den Einzug der neuen Familie mit und klingelte bei ihnen, bevor diese überhaupt richtig eingezogen waren, um sich vorzustellen als Oma H. von unten. Um sicher zu gehen, mussten wichtige Informationen, die die Neuen mit Schrankwand auf den Schultern sicherlich brennend interessierten, mehrmals erwähnt werden. Nun weiß jetzt jeder, sie war mal Kinderkrankenschwester und lebt hier seit Neunzehnhundertnochwas...jedenfalls über 60 Jahre. Und sie war Kinderkrankenschwester. Und lebt hier seit über 60 Jahren. Und sie wohnt unten. Früher war sie einmal Kinderkrankenschwester.

Darunter ist Gott sei Dank nur noch der Keller, in dem höchstens einige Spinnen und Käfer ihr Unwesen treiben. Und meine vor Jahren verstorbene Spinne August, direkt neben unserem Keller. Ich glaube, August ist der Normalste hier.

Donnerstag, 11. März 2010

(M)Ein Tag in Berlin (2)

Nach all dem theatralischen Gesülze und hochtrabener Melancholie mit einem Schuss Poesie der vergangenen Blog-Einträge widme ich mich einmal wieder meiner Lieblingsstadt (für etwas Langsamere weise ich hier auf die Ironie hin) mit ihren Höhen und vor allem Tiefen: Berlin.

Eine sehr gefährliche Stadt. Vor allem für all Diejenigen mit Nerven auf Hochspannung. Der Schrecken lauert an und in jeder Ecke. Mal kauert dort ein bettelnder Obdachloser, mal lauert dort ein betrunkener Penner. Voraussehen kann man derartiges nur in den seltensten Fällen. Man sollte stets gewappnet sein mit stählernen Nerven, Muskeln und einer Nasenklammer. Ladies and Gentlemen, welcome to fabulous Berlin!

Die U-Bahnfahrt war das wohl Normalste; die Augen hatte ich permanent geschlossen, um keinen der mir Gegenübersitzenden ansehen zu müssen. Irgendwann hat man sich am Elend sattgesehen. Der Kampf in die S-Bahn war auch gekonnt zügig beendet und ein triumphierendes Grinsen formte die Lippen als man einen Sitzplatz ergattert hat. Doch für welchen Preis... Der Magen drehte sich, in die Nase kroch ein stechender Gestank, der nur sehr schwer zu beschreiben ist; Es hatte etwas von vor 500 Jahren vergammelten Käse, getrocknetem Schweiß, Dreck, Müll und Fäkalien. Ja, genau so und nicht anders. Der siegessichere Blick war schnell zu einem panisch nach der Quelle des Miefs suchenden Blick geworden und kurz bevor der Magen sich dreifach zu überschlagen und die Cornflakes herauszuwürgen drohte, war das Ziel gefunden: Durch den S-Bahn-Gang hinkte ein vermutlich Obdachloser. Mein Herz ist überfüllt von Mitleid, wirklich, aber in diesem Moment wünschte ich mir einfach nur Erlösung, denn mein Hals hatte sich bereits verdächtig zugeschnürt. Ja, es ist traurig, aber derart verkommen muss ein Mensch in Deutschland nicht. Der - ich umschreibe es einmal schonend - strenge Geruch blieb auch nach Verlassen des Auslösers hämisch im Wagon und so liebte ich die kalte Winterluft nach langem das erste Mal wieder von Herzen als ich ausstieg.

Aber es sollte noch besser kommen. Von Weitem schon sah ich etwas, das mir unpassend erschien so mitten auf dem Gehweg. Als ich näherkam konnte ich nicht anders als zu lachen. Dort stand ein Klo, auf direktem Wege platziert. Ein gebrauchtes wohlbemerkt. Das erkannte man deutlich an den bräunlichen Gebrauchsspuren in der Schüssel. Eigentlich hätte nur noch eine Klopapierrolle samt -halter gefehlt und man hätte direkt seine Sitzung starten können. Da hat doch einmal jemand an seine Mitmenschen gedacht, vielen Dank! An den Details kann man eben noch pfeilen. Großartig meckern konnte man nun wirklich nicht, hatte der Ex-Klobesitzer doch sogar eine alte Gardine um den nächsten Laternenpfahl gehängt.

Weniger Erfreuliches ereignete sich nun auf dem Rückweg. Allerdings kein Einzelfall. Eigentlich ist Uhrzeit, Ort und Gemütsverfassung ohne Bedeutung, ich persönlich verdrehe jedes Mal die Augen, wenn ich schon einen der drittklassigen U-Bahn-Musiker mit blödem Grinsen durch die Zugtüren kommen sehe. Nicht nur, dass man seine eigene Musik oder sein eigenes Wort nicht mehr versteht, nein, es ist zumeist einfach nur fürchterliches, billiges, unprofessionelles Geklimper und Geklirre, manchmal gepaart mit alptraumerregenden Gesangseinlagen. Ganz oben im Kurs ist dabei übrigens das Akkordeon, auf dem stets die selben drei Tasten gedrückt werden, die Trompete, mit ebenfalls höchstens drei variierenden Tönen sowie irgendwelche Trommeln. Heute wurde ich beispielsweise Zeuge einer ganz ausgeklügelten Darbietung: Im ersten Moment dachte man: Oh, das klingt ja mal nur schlecht und nicht furchterregend, doch dann die bittere Enttäuschung: Der Mann hatte wieder einmal nicht mehr als drei Tasten beherrscht und hatte sein mangelndes Talent einfach mit laufender CD plus Miniboxen im Rucksack überspielt und hielt dann auch noch sein Becherchen hin, um dafür belohnt zu werden. Kreativ, doch leider überwiegt hier der Grad an Armseligkeit. Das Schlimmste an der ganzen Thematik Bahn-Musiker ist aber, dass ich stets das Gefühl habe, einen unsichtbaren Magneten an der Arschbacke kleben zu haben. Fast bei jeder Fahrt steigt derartiges Volk in meinen Wagon. Da kann man beinahe anfangen, sich selbst zu bemitleiden...wo mein Herz doch an Mitleid überschwappt.

Nun hatte ich das Gedudel überstanden, bin raus aus der Bahn und hetzte zu meinem Bus. Die Fahrer sind bekanntlich nicht die Geduldigsten und die Freundlichsten sowieso nicht. Aber man war drin, in Gedanken schon zu Hause und da spürte man die verdächtige Magenrotation erneut... Inmitten all der älteren Herrschaften roch es stechend. Stechend nach Jauche, nach Gülle, man nenne es, wie man will. Das kommt im Bus eher selten vor, gebe ich zu, deshalb saß der Schock auch tief und drehte fröhlich das Innere mit. Zum Glück war die Fahrt kurz. Berlin ist zwar überfüllt an Technik, Hightech und Menschgeschaffenem, aber in Momenten wie diesen, in denen man die kalte, frische Luft in der Nase kitzeln spürt, da spürt man die Liebe zur Natur. Mitten in der Hauptstadt.

Mittwoch, 3. März 2010

Defekte Radiergummis

Es erreichten mich einige besorgte Stimmen nach meiner Andeutung im letzten Eintrag, diesen Blog fortan unberührt zu lassen. Das hat mir wirklich geschmeichelt und ich kann diese Gemüter beruhigen: Natürlich wird man mich nicht so schnell los. Ich habe ein sehr ausgeprägtes Nörgel-Gen, schon vergessen? Und das strebt nach exzentrischer Auslebung.

Dieser Eintrag soll nun aber eher in Melancholie und Schwermut getunkt sein. Die Thematik schwirrt den verdammten langen Tag schon in meinem Kopf herum und nun, zu später Stund', möchte ich die Gedanken virtuell in der Luft zerreißen und somit aus meinem Denkorgan verbannen.

Kann man einen Menschen aus seinem Leben streichen? Ausradieren aus dem Gedächtnis? Dass nichts übrigbleibt, nicht einmal der Fussel des Radiergummis? Die Gründe können so unterschiedlich sein, die Nähe dieser Person ebenso. Freund, Feind, Familie, Verräter, verflossene Liebe. Alles ist möglich. Aber auch das Vergessen? Ich habe es schon öfters bei anderen erleben müssen, wie sie mich krampfhaft aus ihrem Leben verbannen wollten. Ob es einem davon gelungen ist, kann ich nicht sagen. Doch habe ich mich selbst ebenfalls dabei ertappt, so wie jeder, der dies liest wohl auch. So streift doch ein Jeder auf seinem Weg einmal einen Menschen, der ihm so wehtut, der ihm so wider ist, dass man sich wünscht, ihn nie kennengelernt zu haben. Doch wie bekommt man diesen Jemand aus der Seele? Der erste Schritt ist der sogenannte Schlussstrich, den man ganz umgangssprachlich und allgemeingültig zieht. Die einen verkünden dies laut, die anderen behaltens schweigend für sich und tun es einfach. Der zweite Schritt ist der Kontaktabbruch. Die totale Isolation vor der scheinbaren Gefahr. Man lasse ihm bloß keine Chnace, noch einmal in Kontakt treten und irgendeine Stellung nehmen zu können. Schritt drei: hassen. Nach einer gewissen Zeit sollte man von Gleichgültigkeit zu Hass übergehen. Ich schätze, das macht es leichter. Denn man kann nicht ewig den Hass auf nur eine Sache - Glückwunsch, die Person ist inzwischen zur "Sache" degradiert worden - forciert haben. So wendet sich das Gemüt ab und man vergisst. Man vergisst diesen Menschen.

Aber die Theorie lügt oft. So einfach ist es leider nicht. Es sei denn, in der Brust hängt lediglich ein dicker Steinklumpen auf halb sieben. Ich glaube, man kann niemanden vergessen. Und umso mehr man es sich wünscht, umso deutlicher wird das Bild dieses Menschen vor dem geistigen Auge sein. Vielleicht verblasst es eines Tages, aber es wird nicht verschwinden.

Ich denke gerade an einen Menschen, der mich vor einigen Tagen aus seinem Leben verbannt hat. Und ich frage mich, ob du noch an mich denkst. Ob du dich schon neu tröstest und ob du der Theorie doch ein wenig bittere Wahrheit einhauchst. Ich frage mich, ob du es schaffst, mich aus deinen Erinnerungen und deinen Gedanken fort zu radieren, wie einen fehlgezeichneten Strich einer Zeichnung. Ob dein Herz still ruht, wenn du im Supermarkt mein Lieblingsgetränk siehst oder meine Lieblingsband hörst. Doch eine Antwort würde die Theorie wieder in Frage stellen, also werde ich keine bekommen. Ich weiß nur meine Antwort: Nein, ich werde niemals vergessen.