Samstag, 7. August 2010

Wahrheit und/oder Pflicht

Manches liegt so nah beieinander: Humor und Lachen, gute Noten und Streber, Käse und Brot, gut und böse, Mensch und Tier. Und doch weiß man sie zu trennen. Doch wie ist es mit der Wahrheit und der Lüge? So ist der Grad dazwischen äußerst schmal und so mancher stürzte tief bei dem Versuch, auf der dünnen Linie zwischen ihnen zu balancieren.

Jeder lügt. Denn wir alle müssen zugeben, dass Notlügen das Leben erheblich erleichtern (können). In manchen Situationen ist es sogar überlebenswichtig, zu lügen. Und in manchen Situationen zerstört es das ganze Leben. Mit der Wahrheit oder Unwahrheit steht und fällt das Leben. Und doch gehen wir so leichtfertig mit ihnen um. Die Bibel predigt: Du sollst nicht lügen. Würde man stets nichts als die Wahrheit sagen, würde man nicht weit kommen. Man würde seiner Frau sagen, wie laut sie nachts wirklich schnarcht und wie furchtbar sie dabei aussieht. Man würde seiner Frau sagen, das neue Kleid sieht aus wie alle anderen und war eigentlich gar nicht im Budget drin. Man würde seinem Mann sagen, der dort wachsende Bierbauch ist beschämend und die Freundinnen hätten alle einen viel hübscheren Partner. Man würde seinem Mann sagen, Fußball ist etwas für Primitive, ebenso wie Autos. Man würde seinem Mann sagen, dass man den Orgasmus jedes Mal nur vortäuscht. Man würde seinen Freunden sagen, ihre Lieblingsmusik klingt verdammt scheiße. Man würde seinen Kindern sagen, sie gehen einem durch ihr dämliches Geheule auf die Nerven und man denke in manchen Situationen, man hätte besser nie Sex haben sollen. Und man würde seinem Chef sagen, dass er sich für den Hungerlohn bald einen neuen Doofen suchen kann und dass er aus dem Mund stinkt wie eine Kuh aus dem Allerwertesten. Nun muss man sich fragen, ob man neben der Tatsache, dass man andauernd die Gefühle anderer verletzen, nicht auch schnell mal eine dicke Lippe riskieren würde.

Die Wahrheit ist manchmal grausam und sollte hinter einer Lüge versteckt bleiben. Gefährlich wird es, sich gleich einen ganzen Berg an Lügen vor die Nase zu bauen. Dann verliert man schnell mal den Über- und Durchblick, verstrickt sich darin und verirrt sich im schlimmsten Fall. Manchmal lügt man. Einfach so. Und manchmal lügt man aus Angst, aus mangeldem Selbstvertrauen, aus Egoismus. Oder einer Mischung aus allem. Manchmal versteckt man die Wahrheit ganz bewusst und verwendet die Lüge zum eigenen Vorteil. Auch das kann gefährlich werden - nicht für die anderen, sondern vor allem für einen selbst. Schließlich wirst du erschocken dreinblicken, wenn man hinter die Maske schaut, hinter der du dich so lange versteckt hieltst. Dann ist die Wahrheit für dich der noch größere Schock, denn du hast vergessen, dass es sie gibt.

Wahrheit und Lüge, Lüge und Wahrheit - so nah und doch so fern. Die Wahrheit sollte dominieren, doch die Lüge nicht gänzlich vergessen.


Ich liebe die Wahrheit. Ich glaube, die Menschheit braucht sie, sicher aber braucht sie noch viel mehr die Lüge, die ihr schmeichelt, Trost spendet und ihr endlos Hoffnung macht. Ohne Lüge würde sie umkommen vor Verzweiflung und Langeweile.
(Anatole France (1844 - 1924), französischer Erzähler, Lyriker, Kritiker und Historiker)

4 Kommentare:

  1. Du Philosoph du. Generationen nach uns werden noch deine Theorien in der Schule lernen, pass mal auf ;D

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  2. ein sehr gutes thema.
    hach, ich freue mich jedes mal über neuen lesestoff von dir^^ lese deine einträge schon fast wie ein magazin aus dem handel xD
    bester philosoph <3

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  3. Wie immer wundervoll auf den Punkt gebracht!

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  4. mein poet zu jeder zeit, zu jedem thema- einfach passend, einfach genial.
    und wie recht du einfach wieder mit allem hast was du niederschreibst. :)

    freue mich schon auf den nächsten post. ;)

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